Arbeitsmedizinische Untersuchung

Arbeitsmedizinische Untersuchung: Vorsorge im Betrieb

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Arbeitsmedizinische Untersuchungen sind ein wichtiger Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsschutzes. Sie helfen dabei, arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren frühzeitig zu erkennen, Erkrankungen vorzubeugen und Beschäftigte über mögliche Risiken am Arbeitsplatz umfassend zu informieren. In diesem Sinne sind Arbeitgeber verpflichtet, abhängig von der Gefährdungsbeurteilung, passende Vorsorgemaßnahmen zu veranlassen oder proaktiv anzubieten. Im Vordergrund arbeitsmedizinischer Untersuchungen steht die individuelle Beratung der Beschäftigten, um ihre Gesundheit langfristig zu schützen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Arten der arbeitsmedizinischen Vorsorge es gibt, welche Untersuchungen Pflicht und welche gesetzlichen Vorgaben zu beachten sind. 


Was versteht man unter arbeitsmedizinischer Vorsorge?

Vorsorgeuntersuchungen durch einen Facharzt für Arbeitsmedizin oder einen Arzt, der die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ führt, bilden die Grundlage des betrieblichen Gesundheitsschutzes. In Deutschland wird die arbeitsmedizinische Vorsorge seit 2008 verbindlich durch die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) geregelt.

Als verbindliche Rechtsgrundlage verpflichtet die ArbMedVV Arbeitgeber auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für ihre Beschäftigten geeignete arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen zu veranlassen oder anzubieten.  


Gesundheitsschutz durch präventive Vorsorge

Mit der Novellierung der ArbMedVV im Jahr 2013 wurde der präventive Charakter der arbeitsmedizinischen Vorsorge noch stärker betont und die Verordnung orientiert sich seither eng am Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG). Damit steht nicht mehr primär die Feststellung von Berufskrankheiten oder arbeitsbedingten Erkrankungen im Mittelpunkt, sondern vor allem die frühzeitige Erkennung von Gesundheitsgefahren und die individuelle Beratung der Beschäftigten. Die Vorsorge soll dazu beitragen, Risiken am Arbeitsplatz und berufsbedingte Erkrankungen zu minimieren.


Die G Untersuchungen als Standards in der betrieblichen Vorsorge

Bis 2022 orientierte sich die Arbeitsmedizin an den „Grundsätzen der arbeitsmedizinischen Vorsorge“. Diese wurden seit den 1970er Jahren als Handlungsanleitungen für Betriebsärzte vom Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) herausgegebenen, um arbeitsmedizinische Untersuchungen bei bestimmten Gefährdungen durchzuführen. Jeder der insgesamt 46 Grundsätze – die sogenannten G-Untersuchungen – ist mit einer eigenen Nummer versehen, wie zum Beispiel G26 für das Tragen von Atemschutzgeräten, G41 für Arbeiten mit Absturzgefahr oder G 1.2 für Tätigkeiten mit asbestfaserhaltigem Staub.


DGUV-Empfehlungen lösen die G-Untersuchungen ab

Im Jahr 2022 wurden die G-Untersuchungen durch die DGUV-Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen abgelöst. Diese Empfehlungen sind stärker an den individuellen Gefährdungen und den tatsächlichen Arbeitsbedingungen ausgerichtet. Der Fokus liegt nun noch deutlicher auf Prävention und Beratung: Die Beschäftigten werden umfassend über mögliche Risiken und Schutzmaßnahmen informiert, und die ärztliche Beratung rückt in den Vordergrund. Die starre Orientierung an festen Untersuchungsnummern und standardisierten Inhalten wurde mit den Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) beendet und durch ein flexibleres, auf die jeweilige Tätigkeit zugeschnittenes Vorgehen ersetzt.


Trennung zwischen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchung und Eignungsuntersuchung

Ein wesentliches Novum in den DGUV-Empfehlungen ist die klare Trennung zwischen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen und Eignungsuntersuchungen.

Zitatfunktion:

„Während die arbeitsmedizinische Vorsorge dem Gesundheitsschutz und der Prävention dient, werden Eignungsuntersuchungen separat betrachtet und sind nicht mehr Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorgeempfehlungen.“

Diese Unterscheidung sorgt für mehr Transparenz und Rechtssicherheit im Umgang mit den unterschiedlichen Untersuchungsanlässen bei der betrieblichen Vorsorge.


Ist die arbeitsmedizinische Vorsorge Pflicht?

Eine Frage, die sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer relevant ist und immer wieder für Unklarheit sorgt. In Deutschland ist die arbeitsmedizinische Vorsorge teilweise verpflichtend, wobei die konkrete Verpflichtung von der Art der Tätigkeit und den gesetzlichen Vorgaben abhängt.

Die maßgeblichen Regelungen finden sich in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) sowie im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Ziel ist es, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen oder im besten Fall überhaupt zu verhindern.

„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten auf ihren Wunsch unbeschadet der Pflichten aus anderen Rechtsvorschriften zu ermöglichen, sich je nach den Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen, es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.“

(Quelle: § 11 ArbSchG – Einzelnorm)  

Die arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung unterscheidet dabei zwischen drei Formen der Vorsorge:

  1. Pflichtvorsorge
  2. Angebotsvorsorge
  3. Wunschvorsorge


Die  Pflichtvorsorge als arbeitsmedizinische Untersuchung

Die Pflichtvorsorge nach § 4 ArbMedVV ist für bestimmte Tätigkeiten mit erhöhten Gesundheitsrisiken gesetzlich vorgeschrieben. Der Arbeitgeber muss diese Untersuchungen veranlassen, bevor Beschäftigte mit solchen Tätigkeiten beginnen dürfen.

Beispiele für die Pflichtvorsorge sind der Umgang mit Gefahrstoffen wie Asbest oder Blei (siehe dazu auch den Anhang ArbMedVV), Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, etwa in Laboren, oder Arbeiten mit physikalischen Einwirkungen wie Lärm ab 85 dB(A) oder starker Hitze.

Beschäftigte dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn sie an der Pflichtvorsorge teilgenommen haben. Bei Verstößen gegen diese Vorgaben drohen dem Arbeitgeber Bußgelder von bis zu 25.000 Euro (§ 10 ArbMedVV in Verbindung mit § 25 ArbSchG).


Die Angebotsvorsorge nach § 5 ArbMedVV

Hier ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Beschäftigten vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in regelmäßigen Abständen eine arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten. Etwa bei Tätigkeiten mit mäßigem Lärm zwischen 80 und 85 dB(A), bei Bildschirmarbeit von mehr als vier Stunden täglich (das gilt auch für Telearbeitsplätze im Homeoffice) oder bei Feuchtarbeit, wie sie häufig im Gesundheitswesen vorkommt. Die Beschäftigten können dieses Angebot freiwillig annehmen oder ablehnen. Der Arbeitgeber muss das Angebot schriftlich machen (§ 5 Abs. 2 ArbMedVV), die Beschäftigten für die Teilnahme freistellen und die Kosten übernehmen.

Ob eine Pflichtvorsorge vorliegt oder eine Angebotsvorsorge angeboten werden muss, ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, z. B. aus der Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe.

Die Rechtsvorschriften zu Pflichtvorsorge und Angebotsvorsorge sehen eine Regelmäßigkeit dieser Präventionsmaßnahme vor. Die Untersuchungsintervalle werden durch die arbeitsmedizinische Regel AMR 2.1 vorgegeben.


Die arbeitsmedizinische Untersuchung als Wunschvorsorge

Die Wunschvorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (§ 5a ArbMedVV) gibt Beschäftigten das Recht, auch ohne eine konkrete Gefährdung auf eigenen Wunsch eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung in Anspruch zu nehmen, wenn sie gesundheitliche Bedenken im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit haben. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diesem Wunsch nachzukommen, sofern die Gefährdungsbeurteilung nicht eindeutig ergibt, dass keinerlei Gesundheitsgefahr besteht.

Auch das Arbeitsschutzgesetz unterstützt dieses Recht in § 11 ArbSchG: Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten ermöglichen, sich regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen, wenn diese das wünschen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn durch die Gefährdungsbeurteilung und die getroffenen Schutzmaßnahmen ausgeschlossen werden kann, dass ein Gesundheitsschaden zu erwarten ist.


Was ist der Unterschied zwischen Vorsorge- und Eignungsuntersuchung?

Wie erwähnt, stehen bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen Beratung und Aufklärung über Gesundheitsrisiken sowie Präventionsmaßnahmen im Fokus. Ein Nachweis der gesundheitlichen Eignung für eine bestimmte berufliche Tätigkeit gehört ausdrücklich nicht zu ihren Aufgaben.

Eignungsuntersuchungen hingegen sind gutachtliche Untersuchungen, die im Auftrag und Interesse des Arbeitgebers durchgeführt werden, um festzustellen, ob ein Beschäftigter die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine bestimmte Tätigkeit erfüllt.

Aus der arbeitsrechtlichen Perspektive betrachtet, müssen Eignungsuntersuchungen einen Anlass haben, um etwa Risiken für den Beschäftigten selbst sowie für Dritte – z. B. bei Fahr-, Steuer- oder Überwachungstätigkeiten – zu minimieren (ehemalige G25 Untersuchung). Eine Eignungsuntersuchung darf nicht aus „Lust und Laune“ vom Arbeitgeber veranlasst, sondern nur dann durchgeführt werden, wenn eine klare rechtliche Grundlage vorliegt. Diese kann sich aus Gesetzen, Verordnungen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben.

Beispiele für gesetzliche Regelungen sind der § 32 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG § 32 – Erstuntersuchung oder Einstellungsuntersuchung) für Jugendliche, die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) für Tätigkeiten mit besonderen Gefahren oder die Fahrerlaubnisverordnung für bestimmte Fahrzeugführer. Die Regelungen für letzteres Beispiel finden sich in der Anlage 5 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV – „Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr“, Anlage 5 zu § 11 Absatz 9 FeV sowie § 48 FeV Absatz 4 und 5 FeV)

Nach Abschluss der Eignungsuntersuchung erhält der Arbeitgeber lediglich eine Rückmeldung, ob der Beschäftigte geeignet, mit Einschränkungen geeignet oder nicht geeignet ist. Medizinische Details werden dabei nicht weitergegeben.


Was muss eine arbeitsmedizinische Untersuchung umfassen?

Der Umfang, die Durchführung und Inhalte einer arbeitsmedizinischen Untersuchung sind in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie in den DGUV-Empfehlungen geregelt.


Verhältnismäßigkeit als Leitprinzip

Jede Untersuchung muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllen, der in § 6 ArbMedVV („Pflichten des Arztes oder der Ärztin“) festgeschrieben ist. Dieser umfasst drei Kriterien:

  1. Eignung: Die gewählte Methode muss geeignet sein, um relevante Erkenntnisse für den Gesundheitsschutz zu liefern.
  2. Erforderlichkeit: Es darf keine weniger belastende Alternative geben, um das Ziel der Untersuchung (z. B. Risikoerkennung) zu erreichen.
  3. Angemessenheit: Der Nutzen der Untersuchung muss mögliche Eingriffe in die körperliche Integrität der Beschäftigten rechtfertigen.


Inhalte der arbeitsmedizinischen Untersuchung

Der konkrete Umfang richtet sich nach der Gefährdung am Arbeitsplatz. Obligatorisch ist stets die Beratung der Beschäftigten über Risiken und Schutzmaßnahmen. Darüber hinaus können folgende Elemente hinzukommen:

  • Anamnese: Erfassung arbeitsbezogener Gesundheitsbeschwerden, z. B. Atemprobleme bei Staubbelastung.
  • Körperliche/klinische Untersuchungen: Nur bei klarer medizinischer Indikation, etwa ein Lungenfunktionstest bei Staubexposition.
  • Biomonitoring: Analyse von Schadstoffen in Blut oder Urin, beispielsweise bei Bleibelastung in der Metallverarbeitung.
  • Impfungen: Bei Tätigkeiten mit biologischen Gefahrstoffen, wie Hepatitis-Impfungen im Labor.


Freiwilligkeit und rechtliche Vorgaben

Körperliche Untersuchungen, Biomonitoring oder Impfungen dürfen nur mit ausdrücklicher Einwilligung der Beschäftigten durchgeführt werden:

Zitatfunktion:

„Untersuchungen dürfen nicht gegen den Willen des oder der Beschäftigten durchgeführt werden. Der Arzt oder die Ärztin hat die ärztliche Schweigepflicht zu beachten.“

(Quelle: § 6 ArbMedVV – Einzelnorm, Abs. 1)

Voraussetzung ist eine umfassende Aufklärung über Zweck, Ablauf und Risiken. Selbst in der Pflichtvorsorge – etwa bei Lärm ab 85 dB(A) – sind nur die Beratung verpflichtend, während körperliche Maßnahmen freiwillig bleiben. Bei der Angebots- oder Wunschvorsorge entscheiden die Beschäftigten selbst über ihre Teilnahme.


Praxisbeispiel: Lärmbelastung

In der Metallverarbeitung, wo häufig Lärmpegel über 85 dB(A) auftreten, umfasst die Vorsorge eine verpflichtende Beratung zur Nutzung von Gehörschutz. Ein Hörtest (Audiometrie) kann optional angeboten werden, setzt jedoch die Zustimmung der Beschäftigten voraus.

Die Inhalte einer arbeitsmedizinischen Untersuchung orientieren sich am aktuellen Stand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft. Fachliche Empfehlungen, wie die DGUV-Empfehlungen, dienen hierbei als Orientierung, ersetzen aber nicht die individuelle fachärztliche Einschätzung.

(Quelle: DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen, Stand September 2024)


Wer trägt die Kosten für arbeitsmedizinische Untersuchungen?

Die Kosten für arbeitsmedizinische Untersuchungen trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Beschäftigte dürfen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen keine Kosten übernehmen. Diese Verpflichtung ist im Arbeitsschutzgesetz (§ 3 Absatz 3 ArbSchG) sowie in der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1, § 2) eindeutig geregelt. Damit wird garantiert, dass der Gesundheitsschutz der Beschäftigten nicht von deren finanziellen Möglichkeiten abhängt.

Auch bei Wunsch- oder Angebotsvorsorge gilt: Der Arbeitgeber übernimmt sämtliche anfallenden Kosten, unabhängig davon, ob es sich um eine Pflichtuntersuchung oder eine freiwillige Untersuchung handelt.


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