Müssen alte Maschinen, die betrieblich eingesetzt werden, der aktuellen Maschinenrichtlinie entsprechen? Viele Unternehmen setzen im betrieblichen Alltag nach wie vor auf ältere Maschinen. Damit der sichere Einsatz solcher Altmaschinen gewährleistet ist, sollte das Thema Maschinensicherheit Arbeitgebern ein besonderes Anliegen sein. Bei Betriebsbegehungen und Gesprächen mit Verantwortlichen fällt uns als Fachkräften für Arbeitssicherheit des Öfteren auf, dass im Kontext mit der Maschinenrichtlinie die Begriffe Gefährdungsbeurteilung und Risikobeurteilung häufig miteinander verwechselt werden.
Alte Maschinen, die noch in Betrieb sind, müssen nicht automatisch der jeweils aktuellen Maschinenrichtlinie entsprechen. Vielmehr gelten für bestehende Maschinen spezifische Anforderungen aus der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). In diesem Beitrag erläutern wir die unterschiedliche Bedeutung und Anwendung der Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung gemäß der Maschinenrichtlinie. Weiters zeigen wir typische Schwachstellen auf, die bei älteren Maschinen immer wieder auftreten.
Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
Bis zum 19. Januar 2027 gilt in der Europäischen Union die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Sie ist das wichtigste Regelwerk für das Inverkehrbringen von Maschinen und schreibt grundlegende Anforderungen an die Produktsicherheit vor. Zentrales Ziel ist es, für sichere Maschinen im europäischen Wirtschaftsraum zu sorgen und dabei ein durchgängig hohes Schutzniveau für Beschäftigte und Verbraucher zu gewährleisten.
Die Risikobeurteilung und CE-Kennzeichnung gemäß der Maschinenrichtlinie
Wesentliche Punkte der aktuellen Maschinenrichtlinie sind die Verpflichtung zur CE-Kennzeichnung gemäß der Norm DIN EN 12100 zur Risikobeurteilung und Risikominderung von Maschinen: Diese dürfen nur dann auf den Markt, wenn sie die Vorgaben der Norm erfüllen.
Das bedeutet in weiterer Folge, dass der Hersteller einer Maschine vor deren Inverkehrbringen eine Risikobeurteilung erstellen und daraus geeignete technische und organisatorische Schutzmaßnahmen ableiten muss.
Dabei sind für jede Maschine umfassende technische Unterlagen zu erstellen. Die Maschinenrichtlinie ist eine EU-Richtlinie und muss von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland geschieht das durch die Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz oder Maschinenverordnung (9. ProdSV).
Die Maschinenrichtlinie (EU) 2023/1230
Wer nach dem 19. Januar 2027 neue Maschinen in der EU in Verkehr bringen will, muss die neuen Vorgaben berücksichtigen. Für bereits bestehende und betriebene Maschinen gelten weiterhin die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung. Die neue Verordnung reagiert damit konsequent auf technische Entwicklungen und steigende Anforderungen an die Maschinensicherheit und sorgt für einheitliche, aber auch strengere Regeln in ganz Europa. |
Ab dem 20. Januar 2027 ersetzt die neue EU-Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 die bisherige Maschinenrichtlinie. Anders als die Richtlinie gilt die Verordnung unmittelbar in allen EU-Staaten, ohne dass eine nationale Umsetzung notwendig ist. Damit werden Rechtsunsicherheiten reduziert und die Vorschriften europaweit vereinheitlicht.
Zu den wichtigsten Neuerungen der Maschinenverordnung zählen verschärfte und detailliertere Anforderungen an die Risikoanalyse und Risikobeurteilung. Zudem rücken neue Technologien stärker in den Fokus:
Es gibt nun spezielle Vorgaben für Maschinen mit Künstlicher Intelligenz, vernetzte und autonome Systeme sowie klare Regeln für Cybersicherheit, um Manipulationen und Angriffe auf Maschinensteuerungen zu verhindern. Technische Dokumentationen und Konformitätserklärungen können künftig auch digital bereitgestellt werden. Mit der Einführung der Kategorie „Hochrisikomaschinen“ im Anhang der neuen Maschinenrichtlinie werden für besonders kritische Produkte strengere Prüfverfahren und unabhängige Stellen vorgeschrieben.
Für Hersteller, Importeure und Händler gibt es mit der Maschinenrichtlinie (EU) 2023/1230 noch klarere Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit, Überwachung und Kommunikation während des gesamten Lebenszyklus einer Maschine. Einheitliche Rückruf- und Sanktionsmechanismen sorgen in ganz Europa für eine einheitliche Marktüberwachung.
Ist die Maschinenrichtlinie für Ihre Gefährdungsbeurteilung relevant?
Als Arbeitgeber tragen Sie die Verantwortung, für den sicheren Betrieb aller in Ihrem Unternehmen eingesetzten Maschinen zu sorgen. Dabei begegnet Ihnen zwangsläufig die Frage, inwiefern die Maschinenrichtlinie für die betriebliche Gefährdungsbeurteilung eine Rolle spielt.
Grundsätzlich ist die Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) zwar nicht die unmittelbare rechtliche Grundlage für Ihre Gefährdungsbeurteilung. Maßgeblich ist hier, wie erwähnt, die Betriebssicherheitsverordnung. Sie verpflichtet Sie als Arbeitgeber gemäß § 3 BetrSichV dazu, für jede Maschine und jedes Arbeitsmittel im Betrieb eine eigenständige Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.
Wie unterstützt die Maschinenrichtlinie Ihre Gefährdungsbeurteilung?
Sie liefert zahlreiche Informationen, Standards und Mindestanforderungen, die Ihnen bei der Auswahl, der Beschaffung und der Bewertung des Sicherheitsniveaus einer Maschine helfen. So können Sie beispielsweise die technische Dokumentation und die vom Hersteller durchgeführte Risikobeurteilung als wertvolle Grundlage für Ihre eigene Gefährdungsbeurteilung heranziehen.
Die CE-Kennzeichnung der Maschine durch den Hersteller bescheinigt zwar, dass die grundlegenden Anforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt sind. Ihre eigene Pflicht, eine betriebliche Gefährdungsbeurteilung zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren, ersetzt die CE-Kennzeichnung jedoch nicht. Vielmehr ergänzt sie die Herstellerdokumentation durch Ihre individuellen betrieblichen Bedingungen, Arbeitsweisen und Risiken.
Maschinensicherheit: Häufige Mängel bei älteren Maschinen
Gerade bei älteren Maschinen stoßen wir als Fachkräfte für Arbeitssicherheit im Rahmen von Betriebsbegehungen immer wieder auf typische Sicherheitsmängel, die das Risiko für Arbeitsunfälle erhöhen. Nachfolgend sind einige der Mängel aufgeführt, denen wir in unserem Berufsalltag am häufigsten begegnen:
- Offene Antriebsteile
Viele ältere Maschinen verfügen über ungeschützte Antriebselemente wie Keilriemen oder frei laufende Wellen. Fehlt eine Schutzabdeckung, besteht die Gefahr, dass sich Kleidung, Haare oder sogar Körperteile verfangen und schwere Verletzungen verursachen. - Keine Verriegelung bei geöffneter Schutzhaube
Fehlende oder defekte Verriegelungen ermöglichen den Betrieb der Maschine, selbst wenn die Schutzhaube geöffnet ist. Das stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, da bewegte Teile ungehindert zugänglich sind. - Keine automatische Stillsetzung bei Stromausfall
Ist keine Ausrüstung gegen unbeabsichtigtes Wiederanlaufen vorhanden, kann eine Maschine nach einem Stromausfall plötzlich wieder starten, sobald die Stromversorgung zurückkehrt. Beschäftigte, die dies nicht erwarten, können dadurch gefährdet werden. - Fehlende Absaugung bei gefährlichen Stäuben
Besonders bei der Bearbeitung bestimmter Werkstoffe entstehen gesundheitsschädliche Stäube. Ohne eine geeignete Absaugung besteht Gefahr für die Atemwege und die Gesundheit der Mitarbeitenden, insbesondere bei langfristiger Exposition.
Typische Sicherheitsmängel bei konkreten Maschinen
Als Sicherheitsfachkräften von Gefaehrdungsbeurteilungen fällt uns bei Betriebsbegehungen auch auf, dass Maschinen wie Standbohrmaschinen, Tischbohrmaschinen oder ältere Kreissägen häufig gravierende Mängel aufweisen, die zu erheblichen Gefährdungen führen können.
- Bei Standbohrmaschinen und Tischbohrmaschinen sehen wir oft das Fehlen eines Bohrspindelschutzes, was dazu führen kann, dass Kleidung oder Haare eingezogen werden. Besonders bei gefährlichen Arbeitsvorgängen fehlt oft die vorgeschriebene Zweihandschaltung. Auch Not-Halt-Einrichtungen sind entweder nicht vorhanden oder schlecht erreichbar, sodass im Ernstfall wertvolle Zeit verstreicht. Ein weiterer typischer Schwachpunkt ist die mangelnde Fußbodenverankerung, durch die sich die Maschine bei Vibrationen verschieben kann. Hinzu kommt, dass oft veraltete oder gar keine Betriebsanweisungen vorliegen und eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsplatz gar nicht existiert.
- Ein besonderes Gefährdungspotenzial bergen Kreissägen wie Baukreissägen. Hier sind fehlende Spaltkeile hinter dem Sägeblatt zu beobachten, was zu gefährlichen Rückschlägen führen kann. Auch Schutzhauben über dem Sägeblatt fehlen häufig, ebenso wie ein ausreichender Lärmschutz. Ein nicht vorhandener Nullspannungsauslöser bedeutet, dass die Maschine nach einem Stromausfall automatisch wieder startet. Solche Schwachstellen machen die Maschine aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht eindeutig nicht mehr betriebssicher.
- Auch bei elektrisch betriebenen Altmaschinen stoßen wir regelmäßig auf schwerwiegende Mängel. Mitunter entspricht die Verdrahtung der Steckdosen nicht mehr der geltenden Norm. Oder Schutzleiteranschlüsse fehlen und die Betriebsarten sind nicht eindeutig gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass manchmal die CE-Kennzeichnung oder die Bedienungsanleitung fehlt. Selbst wenn bei bestimmten alten Maschinen keine CE-Kennzeichnung vorgeschrieben ist, weist das Fehlen grundlegender technischer Schutzmaßnahmen wie Isolierung oder Erdung eindeutig auf eine mangelnde Betriebssicherheit hin.
Gesetzliche Vorgaben beim Einsatz von Maschinen
Damit Sie als Arbeitgeber den Einsatz von Maschinen in Ihrem Unternehmen rechtssicher gestalten und die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, müssen Sie die Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) beachten. Die Verordnung legt konkret fest, worauf bei Auswahl, Bereitstellung, Nutzung und Instandhaltung von Maschinen zu achten ist. Besonders praxisrelevant sind dabei folgende Paragrafen:
- § 5 Anforderungen an die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel:
Maschinen dürfen nur dann bereitgestellt und verwendet werden, wenn sie grundlegenden Sicherheitsanforderungen entsprechen. - § 6 Grundlegende Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln:
Sie sind verpflichtet, alle notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, damit die Sicherheit und Gesundheit Ihrer Beschäftigten beim Umgang mit Maschinen gewährleistet ist. - § 7 Vereinfachte Vorgehensweise bei der Verwendung von Arbeitsmitteln:
Für bestimmte, weniger gefährliche Maschinenarten ist eine vereinfachte Gefährdungsbeurteilung, sofern keine besonderen Gefährdungen vorliegen. - § 8 Schutzmaßnahmen bei Gefährdungen durch Energien, Ingangsetzen und Stillsetzen:
Hier werden Anforderungen an Schutzmaßnahmen gegen unerwartetes An- oder Wiedereinschalten sowie den Umgang mit gefährlichen Energien geregelt, beispielsweise die Notwendigkeit eines Nullspannungsauslösers. - § 9 Weitere Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln:
Dieser Paragraf beschreibt ergänzende Schutzmaßnahmen, die insbesondere bei Instandhaltung, Wartung und besonderen Betriebszuständen zu beachten sind.
Gemeinsam für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz
Unsere Fachkräfte für Arbeitssicherheit begleiten Sie deutschlandweit auf dem Weg zu einem sicheren Arbeitsumfeld. Wir sind Ihr zuverlässiger Partner, wenn es um professionelle Gefährdungsbeurteilungen und individuelle Schutzkonzepte geht. Unser erfahrenes Team erstellt nicht nur Gefährdungsbeurteilungen für Maschinen wie Drehmaschinen, sondern auch für Kfz-Werkstätten, Baustellen sowie für Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen wie Arztpraxen, Krankenhäuser und Kitas.
Von der ersten Gefährdungsbeurteilung über Betriebsanweisungen und Sicherheitsunterweisungen für Ihre Mitarbeiter bis sicherheitstechnischen Betreuung nach DGUV Vorschrift 2 stehen wir Ihnen mit unserem vielfältigen Fachwissen und unserer jahrzehntelangen Erfahrung zur Seite.
Kontaktieren Sie uns gerne für eine kostenlose und unverbindliche Beratung.